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27.07.21

„Hepatitis kann nicht warten!“ Am 28. Juli ist Welt-Hepatitis-Tag.

Infektionen oft Jahre lang unerkannt – bis dramatische Spätfolgen auftreten

Köln. Am 28. Juli ist Welt-Hepatitis-Tag unter dem Motto „Hepatitis kann nicht warten“. Das Motto ist ein politischer Aufruf an die Regierungen aller Länder, den Kampf gegen Hepatitis B und C energisch voranzutreiben. Die Weltgesundheitsorganisation hat vor fünf Jahren das Ziel ausgerufen, beide Infektionen weltweit bis zum Jahr 2030 einzudämmen: Hepatitis B und C sollen so weit zurückgedrängt werden, dass sie als öffentliche Gesundheitsbedrohung eliminiert sind. Auch die Bundesregierung hat sich diesem Ziel mit ihrer BIS2030-Strategie verpflichtet.

Medizinisch machbar ist dieses Ziel: Durch Aufklärung, geeignete Schutzmaßnahmen, frühe Diagnosen und rechtzeitige Therapien. Gegen Hepatitis B gibt es eine wirksame und sichere Schutzimpfung. Bei Hepatitis C gilt es vor allem, sich vor Blutkontakten zu schützen. Selbst dann, wenn eine Hepatitis B oder C bereits chronisch ist, lassen sich beide Infektionen durch Medikamente gut behandeln. Hepatitis B ist durch Medikamente kontrollierbar und Hepatitis C sogar heilbar.

Was passiert bei chronischer Virushepatitis?

Die Leber leidet still und Schmerzen als Warnzeichen bleiben oft aus. Nur eine Minderheit der Infizierten entwickelt einen Ikterus (Gelbsucht) mit gelber Haut oder Augen. Wenn Symptome wie Müdigkeit oder Gelenkbeschwerden auftreten, sind sie so unspezifisch, dass sie auch andere Ursachen haben könnten. Obwohl Menschen sich eigentlich gesund fühlen, kann die Leber trotzdem geschädigt werden.

Das Immunsystem bekämpft das Virus und zerstört dabei infizierte Leberzellen. In der Akutphase der Infektion (0-6 Monate) ist eine Heilung noch möglich. Doch wenn die Erkrankung erst einmal chronisch ist (ab dem 6. Monat), läuft das Immunsystem der Infektion nur noch hinterher: Bis eine infizierte Leberzelle zerstört ist, haben sind längst neue Viren gebildet und weitere Zellen infiziert. Durch diesen andauernden Kampf zwischen Immunsystem und Virus kommt es zur chronischen Leberentzündung. Die Leber kann sich zwar regenerieren, doch diese Fähigkeit ist irgendwann erschöpft. Neue Leberzellen werden dann immer weniger produziert. Stattdessen lagert die kranke Leber Bindegewebe ein. Das Organ beginnt zu vernarben. Schreitet die Erkrankung weiter fort, kann nach Jahren eine Leberzirrhose entstehen. Schreitet diese weiter voran, können sich schwere Spätfolgen einstellen: Innere Blutungen aus Krampfadern in der Speiseröhre und Magen, Hirnleistungsstörungen durch Giftstoffe, Wassereinlagerungen in Bauch und Beinen oder Leberkrebs.

Gefahr durch langjährige, unerkannte Infektionen

Hepatitis tötet nicht über Nacht. Nur selten verläuft eine Neuinfektion so dramatisch, dass die Leber versagt. Wer heute beim Hausarzt die Diagnose „Hepatitis B“ oder „Hepatitis C“ erhält und seinen Facharzttermin erst in einigen Wochen oder Monaten hat, braucht keine Sorge zu haben, dass seine Leber in diesem Zeitraum starken Schaden nimmt. Eine Neudiagnose ist daher in der Regel kein Notfall und muss nicht sofort behandelt werden.

Aber warum lautet dann das Motto „Hepatitis kann nicht warten?“ Weil der Gemeinschaft der Betroffenen trotzdem die Zeit davonläuft. Alle 30 Sekunden stirbt weltweit ein Mensch an den Spätfolgen seiner Virushepatitis, wie die World Hepatitis Alliance kürzlich mitteilte. Fast alle dieser Menschen haben sich vor vielen Jahren infiziert, ohne es zu merken. Doch wenn Spätfolgen auftreten, kann das Leben von einem Moment auf den nächsten aus den Fugen geraten: Ein vermeintlich gesunder Mensch erbricht plötzlich Blut. Ein anderer liegt plötzlich morgens verwirrt im Bett. Die Diagnose „Hepatitis B“ oder „Hepatitis C“ kommt oft Jahre zu spät, wenn die Leber bereits zerstört ist. Die Präsidentin der World Hepatitis Alliance, Dr. Su Wang, erklärte hierzu: „Wir müssen alle zusammenarbeiten und sicherstellen, dass niemand zurückbleibt.“

Das Motto „Hepatitis kann nicht warten!“ bedeutet weltweit:

  • Die 350 Millionen Menschen, die mit Hepatitis leben, können nicht immer länger warten.
  • Die 290 Millionen Menschen, die immer noch nicht diagnostiziert sind, können nicht darauf warten, bis sie eines Tages getestet und dann erst betreut werden.
  • Menschen, die dringend eine antivirale Behandlung benötigen, können nicht weiter darauf warten, während ihr Risiko für Leberkrebs ständig steigt.
  • Menschen, die intravenöse Drogen konsumieren, können nicht auf effektive Harm Reduction-Programme warten.
  • Schwangere können nicht darauf warten, auf Hepatitis B getestet und – falls nötig – behandelt zu werden. Ebenso können Kinder in vielen Ländern der Erde nicht darauf warten, nach der Geburt direkt geimpft zu werden. In Deutschland ist beides seit Jahren üblich, doch erst die Hälfte der Länder weltweit hat diese Schutzmaßnahmen für Neugeborene eingeführt.

In Deutschland ist das vordringliche Problem, unerkannte Infektionen als solche zu erkennen. Hunderttausende von Menschen leiden an chronischer Hepatitis B oder C und nur eine Minderheit wurde bislang diagnostiziert. Das Motto bedeutet auch: Wenn Menschen erhöhte Leberwerte oder andere Risikofaktoren haben (z.B. durch Blutkontakte oder infizierte Partner in der Vergangenheit), sollten diese sich auf Hepatitis B und C testen lassen. Wer bereits von seiner Hepatitis B oder C weiß und bislang nicht aktiv geworden ist, sollte dies nun angehen und sich fachärztlich beraten lassen.

Kampf gegen Hepatitis B und C: durch Corona-Pandemie ausgebremst

Die Corona-Pandemie hat die Bemühungen, Hepatitis B und C bis 2030 einzudämmen, weltweit zurückgeworfen. In vielen Ländern wurden Programme zur Hepatitis-Elimination unterbrochen oder ganz gestoppt. Wie sich dies für heutige und künftige Patienten auswirken wird, ist noch nicht bekannt. Erste Modellrechnungen kommen jedoch zu alarmierenden Einschätzungen.

Eine Modellrechnung in der Fachzeitschrift Journal of Hepatology untersuchte mögliche Auswirkungen für die Hepatitis C: Wenn die globalen Maßnahmen durch die Corona-Pandemie auch nur ein Jahr pausieren, sind 44.800 zusätzliche Leberkrebs-Fälle und 72.300 mehr Tote bis zum Jahr 2030 zu befürchten – allein durch Hepatitis C. Für Hepatitis B wurde diese Fragestellung noch nicht untersucht, sodass es hier keinen direkten Vergleich gibt.

Eine Modellrechnung des Imperial College in London stellte für Hepatitis B eine andere Frage: Was würde passieren, wenn aufgrund der Coronapandemie zehn Jahre lang weniger zum Schutz für Hepatitis-B-infizierte Schwangere und ihre Kinder getan wird? Ein mögliches Worst-Case-Szenario: Zwischen 2020 und 2030 könnten 5,3 Millionen mehr Babys mit chronischer Hepatitis B geboren werden, die man eigentlich vor der Infektion hätte schützen können. Die Folgen würden uns weit über das Jahr 2030 hinaus begleiten: Langfristig könnte dies zu einer Million zusätzlichen Todesfällen führen, wie Dr. Su Wang kommentierte.

In Deutschland konnte die Versorgung von Leberpatienten während der Pandemie weitgehend aufrechterhalten werden. Doch auch hierzulande kam es zu Verzögerungen bei Diagnose und Therapie, abgesagten Terminen und später entdeckten Leber­tumoren.

Trotzdem gibt es auch gute Nachrichten: Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschloss im Herbst 2020, dass künftig alle Bundesbürger über 35 einmalig einen kostenfreien Test auf Hepatitis B und C durchführen können – als Teil der allgemeinen Gesundheits­unter­suchung. Dies ist ein großer Fortschritt. Um die Eindämmungsziele bis 2030 zu erreichen, wäre es wünschenswert, dies künftig zu erweitern und auch jüngeren Menschen ab 18 Jahren einen solchen Test anzubieten.

Deutsche Leberhilfe e.V.

  

 

Quellen:

  1. Blach S et al: Impact of COVID-19 on global HCV elimination efforts. J Hepatol. Research Article| Volume 74, ISSUE 1, P31-36, January 01, 2021. https://www.journal-of-hepatology.eu/article/S0168-8278(20)30523-7/fulltext#secsectitle0115
  2. Hüppe D et al.: Versorgungsprobleme von Patienten mit chronischer Hepatitis C während der COVID-19-Pandemie und der Lockdown-Verordnungen. Z Gastroenterol 2020; 58: 1182–1185
  3. Laury J et al.: Impact of COVID-19 response on hepatitis prevention, care and treatment: results from global survey of providers and program managers. Clinical Liver Disease 17(1): 41-46, 2021.
  4. Webseite NOhep Moms (Kampagne gegen globale Mutter-Kind-Übertragung von Hepatitis B). https://www.nohep.org/news-resources/nohepmoms/
  5. Pley CM et al.: The global impact of COVID-19 pandemic on the prevention, diagnosis and treatment of hepatitis B virus (HBV) infection. BMJ Glob Health. 2021 Jan;6(1):e004275. doi: 10.1136/bmjgh-2020-004275.

 

 

Welt‐Hepatitis‐Tag am 28. Juli 2021

Der Welt‐Hepatitis‐Tag ist ein internationaler Aktionstag und findet jährlich am 28. Juli statt. Die World Hepatitis Alliance koordiniert den Tag weltweit. In Deutschland ist die Deutsche Leberhilfe e.V. Ausrichter des Aktionstages. Seit 2011 ist der Welt‐Hepatitis‐Tag auch offizieller Gesundheitstag der Weltgesundheits­organisation (WHO). Das Motto des Welt-Hepatitis-Tages lautet „Hepatitis kann nicht warten!“ Das Motto ist ein eindringlicher politischer Aufruf, den globalen Kampf gegen Virushepatitis voranzutreiben. Eine Impfung kann Hepatitis A und B sicher verhindern. Gegen chronische Hepatitis B und C stehen wirksame Therapien zur Verfügung, die eine Hepatitis B unterdrücken und eine Hepatitis C sogar ganz ausheilen können. Gegen das tückische Hepatitis-D-Virus steht erstmals ebenfalls eine Therapie zur Verfügung.

Wer ist die Deutsche Leberhilfe e.V.?

Die Deutsche Leberhilfe e.V. wurde 1987 von engagierten Patienten gegründet. Der gemeinnützige Verein ist bundesweit tätig und hat sich als Informationsschnittstelle zwischen Ärzten und Leberpatienten etabliert. Die Leberhilfe verfolgt als Hauptziel, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, indem sie Patienten und ihre Angehörigen berät und Informationsschriften in verständlicher Sprache herausgibt. Ein weiteres Ziel des Vereins ist, die Bevölkerung über mögliche Ursachen, Verlauf, Therapie und Verhütung von Leberkrankheiten zu informieren. Langfristig soll dies dazu beitragen, Vorurteile zu entkräften und den schlechten Ruf der Lebererkrankungen als „selbstverschuldete” Krankheiten zu verbessern. In diesem Rahmen ist die Leberhilfe in Deutschland Ausrichter des Welt-Hepatitis-Tages.

Der Verein wird von einem ehrenamtlichen Vorstand geleitet und hat in Köln seine Geschäftsstelle, die mit erfahrenen Mitarbeitern besetzt ist. Bei medizinischen Fragen wird die Leberhilfe von einem wissenschaftlichen Beirat unterstützt. Dieser besteht aus namhaften Fachärzten und Wissenschaftlern, die die Richtigkeit, Aktualität und Seriosität der medizinischen Informationen gewährleisten.

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