Zurück
11.07.22

Was Sie immer schon über Hepatitis C zu wissen glaubten: Stimmt’s?

Köln, 11.07.2022. Am 28. Juli 2022 ist Welt-Hepatitis-Tag, der global von der World Hepatitis Alliance und in Deutschland von der Deutschen Leberhilfe e.V. ausgerichtet wird. Wie im Vorjahr lautet das weltweite Motto: „Hepatitis kann nicht warten!“ („Hep can’t wait!“) Das Motto ist vor allem ein politischer Aufruf zum Handeln – und an Privatpersonen, sich testen zulassen. Bundesbürger ab 35 können sich beim Hausarzt kostenfrei einmalig auf Hepatitis B und C testen lassen – im Rahmen der Gesundheitsuntersuchung, die früher als „Check-up 35“ bezeichnet wurde. Der Test lohnt sich. Denn wenn es zur Diagnose kommt, lässt sich viel dagegen tun. Dies gilt insbesondere für die Hepatitis C, aber auch für die anderen Hepatitisviren.

Die Leber leidet stumm. Hepatitisinfektionen verlaufen schleichend über viele Jahre, bleiben aber deswegen lange unerkannt, bis die Leber irreparabel geschädigt ist. Heutige Therapien könnten dies meist verhindern, wenn man sie rechtzeitig beginnt. Unbehandelt können chronische Hepatitisinfektionen zu einer völlig vernarbten Leber (Zirrhose) und Leberkrebs führen. Ohne Leber geht es nicht! Kein Organ im Körper hat so viele lebenswichtige Funktionen, wie z.B. im Stoffwechsel, bei der Entgiftung und Blutgerinnung.

Doch was meinen wir überhaupt, wenn wir von „Hepatitis“ reden? Welche verschiedenen Formen gibt es und warum ist es so wichtig, den Unterschied zu kennen? In diesem Artikel stellen wir Ihnen die häufigsten Hepatitis-Irrtümer vor. Die meisten davon betreffen das Hepatitis-C-Virus, um das sich bis heute viele Gerüchte halten.

 

Irrtum 1: „Hepatitis ist immer ansteckend.“

Fakt 1: Das hängt von der Art der Hepatitis ab. Hepatitis bedeutet übersetzt einfach nur „Leberentzündung“. Diese kann verschiedene Ursachen haben. Manche sind ansteckend, andere nicht. Wir kennen z.B. fünf verschiedene Hepatitisviren, Hepatitis A, B, C, D und E. Diese sind tatsächlich potenziell ansteckend, wobei sich die Ansteckungswege je nach Virus sehr unterscheiden. Hepatitis A und E werden hauptsächlich über Fäkalien, verunreinigte Nahrung oder Trinkwasser übertragen. Hepatitis B und D werden eher über Blut und andere Körperflüssigkeiten übertragen, Hepatitis C praktisch nur über Blut.

Es gibt aber auch viele andere Ursachen für Leberentzündungen, die nichts mit Infektionserregern zu tun haben. Diese sind niemals ansteckend. Dazu gehören z.B. Erkrankungen des Immunsystems (autoimmune Hepatitis), angeborene Stoffwechselerkrankungen oder Leberentzündungen durch Medikamente oder Alkohol. Wenn bei der Leberhilfe jemand anruft und sagt „Ich habe Hepatitis“, fragen wir immer als erstes „Welche?“

 

Irrtum 2: „Aus einer Hepatitis A kann eine Hepatitis B und dann eine Hepatitis C werden.“

Fakt 2: Nein. Hepatitisviren sind völlig unterschiedlich und können sich nicht ineinander umwandeln. Sie haben nur gemeinsam, dass sie zu einer Leberentzündung führen können. Aus einem VW kann auch kein Mercedes und anschließend ein BMW werden!

 

Irrtum 3: „Hepatitis C ist unheilbar.“

Fakt 3: Der häufigste Hepatitis-Irrtum! Hepatitis C ist heute praktisch immer heilbar. Darin sind sich alle kompetenten Fachverbände und auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) einig. Betroffene erhalten über acht bis zwölf Wochen Tabletten, welche in der Regel gut vertragen werden. Die meisten Menschen sind ihr Virus schon nach dem ersten Therapieversuch dauerhaft los – natürlich nur, wenn sie ihre Medikamente auch regelmäßig einnehmen. Nur selten wird noch ein zweiter oder gar dritter Therapieanlauf benötigt, doch heute bleibt fast niemand mehr übrig, der danach noch Hepatitis-C-positiv ist. Die Heilung der Hepatitis C sieht man inzwischen auch ganz praktisch: Hepatitis-C-Selbsthilfegruppen haben sich in den vergangenen Jahren vermehrt aufgelöst, nachdem viele der Mitglieder geheilt wurden.

 

Irrtum 4: „Na gut, dann ist Hepatitis C jetzt doch heilbar. Aber sie WAR unheilbar, bevor 2014 die neuen Medikamente kamen, das weiß ich ganz sicher.“

Fakt 4: Auch das ist falsch. Dass Hepatitis C heilbar ist, ist kein neues Phänomen. Erste lebenslange Heilungen gab es schon in den frühen 1990er-Jahren. Die damaligen Interferon-Therapien hatten aber mehr Nebenwirkungen und erreichten das Heilungsziel viel seltener als die heutigen Therapien. Bei Hepatitis C gab es immer nur Top oder Flop, Heilung oder Scheitern. Es gab noch nie eine Therapie, die das Hepatitis-C-Virus einfach nur unterdrückt hat, wie z.B. bei HIV.

 

Irrtum 5: Hepatitis C ist das schlimmste Virus.“

Fakt 5: Nein. Eine chronische Hepatitis B ist nicht milder und – im Gegensatz zur heilbaren Hepatitis C – nur kontrollierbar und noch nicht heilbar. Das schlimmste Hepatitisvirus, welches wir heute kennen, ist das Hepatitis-D-Virus. Dieses kann zwar nur zusammen mit einer Hepatitis B auftreten, weil es dessen Hülle zur Vermehrung braucht. Hepatitis D führt dann aber viel schneller zu Zirrhose oder Leberkrebs als andere Hepatitisinfektionen. Seit zwei Jahren ist auch Hepatitis D besser behandelbar geworden, wobei wir noch nicht genau wissen, ob die Therapien dort heilend oder nur unterdrückend wirken.

Dass Hepatitis C einen so schlechten Ruf hat, liegt an der Anfangszeit, als das Virus 1989 neu entdeckt wurde: Zunächst wurden nur schwer kranke Menschen überhaupt auf das neu entdeckte Hepatitisvirus untersucht, die oft schon jahrelang an einer Leberentzündung gelitten hatten. Entsprechend düster erschien das Bild des Virus. Dass eine Infektion in der Regel erst nach Jahren gefährlich wird und der Verlauf je nach Mensch unterschiedlich ist, wusste man damals noch nicht.

 

Irrtum 6: „Hepatitis C ist unglaublich ansteckend, jeder kann es bekommen.“

Fakt 6: Hepatitis C wird nicht über Tröpfchen oder Aerosole übertragen wie z.B. COVID-19 oder Influenza, deswegen kommt es im Alltag fast nie zu Infektionen. Für eine Ansteckung muss in der Regel infektiöses Blut in Wunden oder Schleimhäute geraten. Man bekommt Hepatitis C nicht über die Toilette, nicht über Essen, nicht durch Trinken aus dem gleichen Glas, nicht über die Luft, nicht über Umarmen, Türklinken oder Küssen.

Blutprodukte waren vor 1991 eine häufige Ansteckungsquelle, werden aber seitdem rigoros getestet. In der Drogenszene gibt es nach wie vor viele Ansteckungen durch gemeinsam benutzte Drogenutensilien (z.B. Spritzbesteck oder Röhrchen zum Sniefen). Eine Übertragung ist beim heterosexuellen „Blümchensex“ deutlich seltener als bei Hepatitis B, oft sieht man selbst in jahrelangen festen Beziehungen mit einem positiven Partner keine Ansteckung. Bei verletzungsträchtigen Praktiken (z.B. ungeschützter Analverkehr, BDSM) und häufig wechselnden Partnern steigt das Ansteckungsrisiko aber deutlich an. Auch Hygienemängel bei Tätowierungen, Piercings oder medizinischen Eingriffen können zur Infektion führen.

 

Irrtum 7: „Ich bin gegen Hepatitis C geimpft und kann das nicht bekommen“.

Fakt 7: Nein, es gibt nur Schutzimpfungen gegen Hepatitis A und B. Gegen Hepatitis C konnte bislang keine Schutzimpfung entwickelt werden, obwohl man dies wiederholt versucht hat. Bei Hepatitis C gibt es (im Gegensatz zu Hepatitis A und B) keine natürliche Immunität, wenn man eine Infektion durchgemacht hat. Hepatitis C ist zwar heute leicht heilbar, man kann sich aber durch Blutkontakte immer wieder neu anstecken.

 

Irrtum 8: „Hepatitis C ist nur für die Leber ein Problem“.

Fakt 8: Dies weiß man inzwischen besser, wie auch bei vielen anderen chronischen Erkrankungen. Die Leber ist zwar die Hauptzielscheibe, allerdings erhöht Hepatitis C auch das Risiko anderer Komplikationen und Beschwerden, wie z.B. Herz-Kreislauferkrankungen, Nierenkrankheiten oder Krebserkrankungen außerhalb der Leber. Gelenkbeschwerden, Müdigkeit, Depressionen oder vermehrte neurologische Erscheinungen werden bei Hepatitis C häufiger gesehen als in der Allgemeinbevölkerung. Nicht immer ist es dabei klar erkennbar, ob diese Beschwerden alle von der Hepatitis C kommen oder ob ein Mensch ggf. zwei Gesundheitsprobleme gleichzeitig hat. Eine Ausheilung der Infektion hat aber bei vielen dieser Erscheinungen zumindest das Potenzial, auch diese zu lindern. Bestimmte Komplikationen wie z.B. eine Kryoglobulinämie oder Vaskulitis können mit der Ausheilung des Virus vollständig verschwinden.

 

WeltHepatitisTag am 28. Juli 2022

Der Welt-Hepatitis-Tag ist ein internationaler Aktionstag und findet jährlich am 28. Juli statt. Seit 2011 ist der Welt-Hepatitis-Tag auch offizieller Gesundheitstag der Weltgesundheits­organisation (WHO). Das Motto des Welt-Hepatitis-Tages lautet wie im Vorjahr „Hepatitis kann nicht warten!“ Das Motto ist ein eindringlicher politischer Aufruf, den globalen Kampf gegen Virushepatitis voranzutreiben. Eine Impfung kann Hepatitis A und B sicher verhindern. Die Hepatitis-B-Impfung schützt indirekt auch gegen das gefährliche Hepatitis-D-Virus, welches nur zusammen mit Hepatitis B auftritt. Gegen chronische Hepatitis B und C stehen wirksame Therapien zur Verfügung, die eine Hepatitis B unterdrücken und eine Hepatitis C sogar ganz ausheilen können. Gegen Hepatitis D steht seit 2020 ebenfalls eine Therapie zur Verfügung; ob diese eine Hepatitis D nur unterdrückt oder sogar ausheilen kann, ist noch nicht bekannt und wird weiterhin untersucht.

Weltweit leben nach WHO-Schätzungen 296 Millionen Menschen mit einer chronischen Hepatitis B. Die Schätzungen sind höher als früher (257 Millionen), spiegeln aber wohl keinen echten Anstieg wider. Wie uns die WHO mündlich mitteilte, haben mehr Länder ihre Überwachung verbessert und deswegen in den letzten Jahren höhere Zahlen nachgemeldet. In Deutschland schätzt die Hepatitis-B-Leitlinie von 2021, dass ca. 0,4 bis 0,8% der Bevölkerung eine chronische Hepatitis-B-Infektion haben. Dies würde etwa 330.000 bis 660.000 Menschen entsprechen.

Bei Hepatitis C sieht man mittlerweile Erfolge der heilenden Therapie: In 2019 wurde die Zahl der Hepatitis-C-Betroffenen auf noch 58 Millionen (vorher 71 Millionen) weltweit geschätzt. In Deutschland wurde Anfang des Jahres 2020 die Zahl der Hepatitis-C-Infizierten auf 189.000 geschätzt; dank heilender Therapien ist die Zahl der Betroffenen damit seit 2012 deutlich um 85.000 Fälle gesunken.

Vor sechs Jahren beschloss die WHO, bis 2030 weltweit Hepatitis B und Hepatitis C einzudämmen. Die Bundesregierung hat sich diesem Vorhaben angeschlossen und 2016 die Strategie „BIS-2030 – Bedarfsorientiert, Integriert, Sektorenübergreifend“ beschlossen; diese soll ebenfalls bis 2030 Hepatitis B und C, aber auch HIV und andere Infektionskrankheiten erfolgreich bekämpfen. Die Corona-Pandemie hat diese Bemühungen weltweit und auch in Deutschland zurückgeworfen. Gleichzeitig gab im Herbst 2020 trotz der Pandemie einen Fortschritt: Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschloss, dass künftig alle Bundesbürger über 35 einmalig einen Test auf Hepatitis B und C machen können – als Teil der allgemeinen Gesundheitsuntersuchung.

 

Wer ist die Deutsche Leberhilfe e.V.?

Die Deutsche Leberhilfe e.V. wurde 1987 von engagierten Patienten gegründet. Der gemeinnützige Verein ist bundesweit tätig und hat sich als Informationsschnittstelle zwischen Ärzten und Leberpatienten etabliert. Die Leberhilfe verfolgt als Hauptziel, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, indem sie Patienten und ihre Angehörigen berät und Informationsschriften in verständlicher Sprache herausgibt. Ein weiteres Ziel des Vereins ist, die Bevölkerung über mögliche Ursachen, Verlauf, Therapie und Verhütung von Leberkrankheiten zu informieren. Langfristig soll dies dazu beitragen, Vorurteile zu entkräften und den schlechten Ruf der Lebererkrankungen als „selbstverschuldete” Krankheiten zu verbessern. In diesem Rahmen ist die Leberhilfe in Deutschland Ausrichter des Welt-Hepatitis-Tages.

Der Verein wird von einem ehrenamtlichen Vorstand geleitet und hat in Köln seine Geschäftsstelle, die mit erfahrenen Mitarbeitern besetzt ist. Bei medizinischen Fragen wird die Leberhilfe von einem wissenschaftlichen Beirat unterstützt. Dieser besteht aus namhaften Fachärzten und Wissenschaftlern, die die Richtigkeit, Aktualität und Seriosität der medizinischen Informationen gewährleisten.

Deutsche Leberhilfe e.V.

 

Quellen:

WHO Factsheet Hepatitis C: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/hepatitis-c. 24. Juni 2022, zuletzt abgerufen am 29.6.2022.

WHO Factsheet Hepatitis B: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/hepatitis-b. 24. Juni 2022, zuletzt abgerufen am 29.6.2022.

Tergast TL et al.: Updated epidemiology of hepatitis C virus infections and implications for hepatitis C virus elimination in Germany. J Viral Hepat. 2022 Jul;29(7):536-542. doi: 10.1111/jvh.13680. Epub 2022 May 5. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35357770/. Zuletzt abgerufen am 29.6.2022.

Cornberg M et al.: S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) zur Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-B-Virusinfektion (AWMF-Register-Nr. 021-11) Z Gastroenterol 2021; 59: 691–776. https://www.dgvs.de/wp-content/uploads/2021/07/ZfG_Leitlinie-Hepatitis-B_15.07.21.pdf. Zuletzt abgerufen am 29.6.2022.

PRESSEMITTEILUNG ALS PDF