Zurück
24.07.21

Welt-Hepatitis-Tag: Wie die Hepatitis C ihren Schrecken verlor

Köln. Am 28. Juli ist Welt-Hepatitis-Tag, der unter dem Motto steht: „Hepatitis kann nicht warten!“ He­pa­titis-Infektionen verlaufen langsam und schleichend über Jahre. Doch gerade deshalb werden sie oft erst entdeckt, wenn Menschen bereits an lebensgefährlichen Spätfolgen leiden: Zirrhose und Leberkrebs. Durch frühere Diagnosen wären solche Spätfolgen meist vermeidbar. Dies gilt insbesondere für die Hepatitis C, die heute fast immer heilbar ist.

Die Hepatitis-C-Therapie ist eine der großen Erfolgsgeschichten der Medizin. Von der Entdeckung des Virus im Jahr 1989 bis zur Entwicklung hochwirksamer Therapien zwischen 2014–17 dauerte es gerade einmal ein Vierteljahrhundert. Umso wichtiger ist es heute, Menschen mit noch unerkannter Hepatitis C rechtzeitig zu entdecken und zu behandeln.

Der Hepatitis-C-Erreger wird in erster Linie durch Blut übertragen, welches über Schleimhäute oder direkt in die Blutbahn eindringt. Gehäufte Infektionen sieht man bei Menschen mit Bluttransfusionen vor 1991, in der Drogenszene und der homosexuellen Partyszene; doch auch bei anderen Blutkontakten kann es zur Infektion kommen, z.B. wenn bei Operationen, Tätowierungen oder Piercings nicht steril gearbeitet wird.

 

1970er- und 1980er-Jahre: Mysteriöse Infektionen mit unbekanntem Erreger

 Mitte der 1970er-Jahre waren Hepatitis A und B bereits bekannt. Trotzdem rätselten Mediziner über Patienten, die nach Bluttransfusionen eine Leberentzündung bekamen, aber weder an Hepatitis A noch B litten. Man wusste nicht, ob sich nur ein einziger oder doch mehrere Erreger hinter diesen Infektionen verbargen. Daher wurden die geheimnisvollen Infektionen erst einmal nach dem benannt, was sie nicht waren: „Non-A-Non-B-Hepatitis“. Erst 15 Jahre später sollte sich herausstellen, dass fast alle dieser Infektionen auf das Hepatitis-C-Virus zurückgingen.

Viele Menschen mit Non-A-Non-B-Hepatitis wurden chronisch krank. Die Leberentzündungen schädigten über Jahre hinweg die Leber, bis oft eine Leberzirrhose entstand. Mitte der 80er-Jahre gab es erste Versuche in Studien, den noch unbekannten Erreger mit Interferon zu behandeln: Interferon ist ein Eiweißstoff, der auch vom Immunsystem bei Infektionen gebildet wird. Der Erfolg dieser ersten Therapieversuche ließ sich nur indirekt messen, wenn die Leberentzündung sich bei den Patienten verbesserte.

1989: Die Entdeckung des Hepatitis-C-Virus

 Die Wissenschaftler Prof. Harvey Alter, Prof. Michael Houghton und Prof. Charles Rice konnten das Hepatitis-C-Virus im Jahr 1989 erstmals nachweisen. Dies war eine bahnbrechende Entdeckung, für welche die Forscher im Oktober 2020 mit dem Nobelpreis für Medizin geehrt wurden. Der Nachweis des Virus war schwieriger als bei der Hepatitis A und B und wurde nur durch aufwändige gentechnische Verfahren erreicht. Doch nun gelang es den Wissenschaftlern, das fast vollständige Genom des Virus zu isolieren. Hierdurch wurde es möglich, Labortests auf Hepatitis-C-Viren zu entwickeln. Nun konnten endlich auch Blutprodukte auf Hepatitis C untersucht werden, welche für viele Infektionen verantwortlich waren. Seit den 1990er-Jahren sind Blutprodukte keine Ansteckungsquelle mehr.

1999 konnten die Heidelberger Wissenschaftler Prof. Ralf Bartenschlager und PD Dr. Volker Lohmann erstmals ein gentechnisch verändertes Hepatitis-C-Virus-Genom entwickeln und in Zellkulturen züchten. 2004 gelang Bartenschlager und Lohmann zusammen mit dem Team von Prof. Takaji Wakita, erstmals ein authentisches Virusgenom zu entwickeln und damit auch infektiöse Viren herzustellen. Zusätzlich gelang es ihnen erstmals, das Virus auch im Elektronenmikroskop sichtbar zu machen. Für die Arzneimittelforschung waren dies ganz entscheidende Fortschritte: Man konnte nun unter Laborbedingungen zügig verschiedene Substanzen durchtesten, ob diese gegen das Hepatitis-C-Virus wirkten.

1990 – 2014: Das Interferon-Zeitalter: Viele Nebenwirkungen, begrenzte Heilungsaussichten

In den frühen 1990er-Jahren war Interferon das einzige verfügbare Medikament. Ähnlich wie beim Diabetes mussten sich Patienten dieses Medikament als Spritze unter die Haut selbst setzen. Interferon wurde anfangs dreimal wöchentlich genommen, hatte viele Nebenwirkungen, wie z.B. Depressionen, Schilddrüsenprobleme, leichten Haarausfall und Blutbildveränderungen. Nur etwa 10 bis 20% der Patienten konnten anfangs geheilt werden.

Die Heilungschancen wurden in den darauffolgenden Jahren Schritt für Schritt erhöht. Ende der 90er-Jahre fing man an, Interferon mit Ribavirin zu kombinieren. Dies führte zu weiteren Nebenwirkungen wie z.B. Blutarmut, doch nun konnte ein gutes Drittel der Patienten geheilt werden. Zu Beginn des neuen Jahrtausends wurden die Interferone verbessert, indem man sie an ein Peg-Molekül koppelte: Peg-Interferone waren länger wirksam und mussten nur noch einmal wöchentlich gegeben werden. Die Heilungschancen stiegen auf durchschnittlich 50%.

Zahlreiche neuartige Substanzen wurden nach der Jahrtausendwende gegen Hepatitis C untersucht. Wie so oft in der Arzneimittelforschung war dies jedoch ein langer und steiniger Weg. Die meisten Substanzen mussten wieder aufgegeben werden, weil sie zu starke Nebenwirkungen hatten oder weniger wirkten als erhofft.

Ab 2011 wurden erstmals zwei Medikamente zugelassen, welche direkt gegen das Hepatitis-C-Virus wirkten: Proteasehemmer kamen noch als drittes Medikament zur Hepatitis-C-Therapie hinzu. Zunächst wirkten diese nur bei einem bestimmten Untertypen des Hepatitis-C-Virus, dem Genotyp 1: Diese Hepatitis-C-Variante war bis dahin dafür berüchtigt, besonders hartnäckig zu sein. Die Dreifach-Therapie mit Peg-Interferon, Ribavirin und einem Proteasehemmer konnte nun bis zu drei Viertel dieser Betroffenen heilen. Allerdings hatte die Behandlung besonders viele und z.T. schwere Nebenwirkungen: Insbesondere Blutbild­veränderungen und schwere Hautaus­schläge kamen zu den anderen Nebenwirkungen hinzu. Die Therapie war so belastend und anspruchsvoll, dass meist nur erfahrene Hepatologen und Virologen diese durchführten. Mitunter wurden auch Ärzte aus anderen Fachrichtungen (z.B. Hautärzte) hinzugezogen, um Nebenwirkungen mitzubehandeln.

Bis Ende 2013 war die Therapieentscheidung und -planung bei Hepatitis C alles andere als leicht: Wie hoch die Heilungschancen waren, hing nicht nur von den Medikamenten und vom Virustyp ab. Je älter und kränker die Patienten waren, desto seltener sprach die Interferon-Therapie an und desto schwerer waren oft auch die Nebenwirkungen. Beratungsgespräche bei der Deutschen Leberhilfe e.V. und auch in vielen Praxen waren entsprechend schwierig: Denn ausgerechnet die Menschen mit Zirrhose, die am dringendsten behandelt werden mussten, hatten auch bei der Therapie die höchsten Risiken und die geringsten Heilungsaussichten. Dank neuer Medikamente sind diese Zeiten nun vorbei.

2014-2017: Die Revolution der Hepatitis-C-Therapie

Lange Zeit glaubte man, dass eine Heilung der Hepatitis C nur funktioniere, wenn Interferon Teil der Therapie sei. Ein Irrtum: Ab 2011 wurden die ersten Menschen mit Interferon-freien Therapien in Studien geheilt. Es sollte aber noch bis 2014 dauern, bis die ersten Interferon-freien Therapien auf dem Markt verfügbar wurden. Zunächst wirkten auch diese nur gegen bestimmte Untertypen des Virus. Ab 2016 wurden weitere Hepatitis-C-Medikamente entwickelt, welche gegen alle Hepatitis-C-Genotypen wirken. Interferon wird heute bei Hepatitis C überhaupt nicht mehr angewendet.

Heute sind 95% der Hepatitis-C-Patienten schon nach dem ersten Therapieversuch geheilt. Die wenigen, die noch eine zweite Therapie brauchen, haben mittlerweile ähnlich hohe Heilungschancen. Nebenwirkungen, wie z.B. Müdigkeit und Kopfschmerzen, sind weiterhin möglich und Wechselwirkungen mit bestimmten anderen Arzneimitteln müssen beachtet werden. Trotzdem sind die neuen Therapien deutlich besser verträglich als die damaligen Interferon-Therapien. Aufpassen muss man jedoch bei schwer Nierenkranken und Menschen mit fortgeschrittener Zirrhose: Hier dürfen nur bestimmte Hepatitis-C-Medikamente eingesetzt werden, eine Behandlung ist aber auch hier inzwischen möglich. Wichtig ist, sich fachärztlich beraten zu lassen.

Was die Therapierevolution bedeutet

Hepatitis C ist heute nicht mehr die Diagnose, die sie einmal war. Früher war dies für viele Betroffene ein schwerer Einschnitt, der ihr ganzes Leben überschattete – und zu oft auch verkürzte. Neben den Leberschäden und weiteren Beschwerden leiden viele Betroffene an Stigmatisierung, weil Außenstehende oft übertriebene Ängste vor Ansteckung haben.

Die wenigen Menschen, die schon im frühen Interferon-Zeitalter geheilt werden konnten, hatten es oft eilig, in ihr normales Leben zurückzukehren. In Selbsthilfegruppen fanden insbesondere frustrierte und verzweifelte Patienten zueinander, bei denen die damalige Therapie versagt hatte. Entsprechend groß waren das Misstrauen und die Skepsis gegenüber den damaligen Therapien. Auch Beratungsgespräche bei der Deutschen Leberhilfe e.V. waren in den frühen 2000er-Jahren bei Hepatitis C viel komplexer. Die Entscheidung für oder gegen eine Interferon-Therapie war schwieriger und individueller: Einerseits gab es eine Heilungschance, aber die Therapien wirkten nicht bei jedem, hatten viele Nebenwirkungen und zum Teil auch Kontraindikationen. Es folgte ein langes Gespräch über das Für und Wider der Therapie, Fragen nach Begleiterkrankungen, und wie man mit Nebenwirkungen umgehen kann.

Dies hat sich grundlegend verändert: Wer heute eine Hepatitis-C-Diagnose bekommt und in Deutschland krankenversichert ist, dem kann man guten Gewissens sagen: „Machen Sie einen Facharzttermin. Dort bekommen Sie acht bis zwölf Wochen Tabletten, und wahrscheinlich das Hepatitis-C-Virus danach schon wieder weg.“ Viele Hepatitis-C-Selbsthilfegruppen lösen sich inzwischen auf, nachdem sämtliche Teilnehmer geheilt sind.

Ausblick in die Zukunft

Gegen das Hepatitis-C-Virus konnte bislang keine Schutzimpfung entwickelt werden. Die neuartigen Therapien haben seit 2014 für Betroffene dennoch alles verändert: Heute ist das größte Problem nicht mehr, einzelne Menschen erfolgreich durch eine schwierige Therapie zu begleiten. Wer einmal diagnostiziert ist, kann inzwischen fast immer geheilt werden.

Als Herausforderung bleiben vor allem die vielen unerkannten Infektionen. Weltweit schätzt die Weltgesund­heitsorganisation (WHO) die Zahl der Hepatitis-C-Patienten auf 71 Millionen und nur etwa jeder zehnte weiß von seiner Infektion. In Deutschland geht man derzeit von mehreren Hunderttausend Infizierten aus, von denen ebenfalls erst eine Minderheit diagnostiziert wurde.

2016 hat die WHO das Ziel ausgerufen, Hepatitis C global bis zum Jahr 2030 einzudämmen: Durch Screening und frühzeitige Therapie. Die Bundesregierung hat sich mit ihrer BIS2030-Strategie diesem Ziel angeschlossen. Durch die Corona-Pandemie wurden diese Bemühungen in vielen Ländern und zeitweise auch in Deutschland zurückgeworfen – durch weniger Tests sowie ausgefallene oder abgesagte Termine.

Ein wichtiger Fortschritt wurde aber kürzlich gemacht. Menschen mit Krankenversicherung in Deutschland, die 35 Jahre oder älter sind, können künftig einmalig einen kostenfreien Test auf Hepatitis B und C erhalten, wenn sie an der allgemeinen „Gesundheitsuntersuchung“ teilnehmen. Dies dürfte die Zahl der frühzeitig diagnostizierten Hepatitis-C-Patienten künftig deutlich erhöhen und zu weitaus mehr Heilungen führen. Für die Zukunft ist es aus Sicht der Deutschen Leberhilfe e.V. wünschenswert, dass dieses kostenfreie Testangebot auch auf jüngere Menschen ab 18 Jahren ausgeweitet wird: Dies würde beim Erreichen des Ziels helfen, Hepatitis C bis zum Jahr 2030 als Gesundheitsbedrohung zu eliminieren.

 

WeltHepatitisTag am 28. Juli 2021

Der Welt‐Hepatitis‐Tag ist ein internationaler Aktionstag und findet jährlich am 28. Juli statt. Seit 2011 ist der Welt‐Hepatitis‐Tag auch offizieller Gesundheitstag der Weltgesundheits­organisation (WHO). Das Motto des Welt-Hepatitis-Tages lautet „Hepatitis kann nicht warten!“ Das Motto ist ein eindringlicher politischer Aufruf, den globalen Kampf gegen Virushepatitis voranzutreiben. Eine Impfung kann Hepatitis A und B sicher verhindern. Gegen chronische Hepatitis B und C stehen wirksame Therapien zur Verfügung, die eine Hepatitis B unterdrücken und eine Hepatitis C sogar ganz ausheilen können. Gegen das tückische Hepatitis-D-Virus steht erstmals ebenfalls eine Therapie zur Verfügung. Weltweit weiß jedoch nur etwa jeder zehnte Mensch von seiner Hepatitis-Infektion.

 

Wer ist die Deutsche Leberhilfe e.V.?

Die Deutsche Leberhilfe e.V. wurde 1987 von engagierten Patienten gegründet. Der gemeinnützige Verein ist bundesweit tätig und hat sich als Informationsschnittstelle zwischen Ärzten und Leberpatienten etabliert. Die Leberhilfe verfolgt als Hauptziel, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, indem sie Patienten und ihre Angehörigen berät und Informationsschriften in verständlicher Sprache herausgibt. Ein weiteres Ziel des Vereins ist, die Bevölkerung über mögliche Ursachen, Verlauf, Therapie und Verhütung von Leberkrankheiten zu informieren. Langfristig soll dies dazu beitragen, Vorurteile zu entkräften und den schlechten Ruf der Lebererkrankungen als „selbstverschuldete” Krankheiten zu verbessern. In diesem Rahmen ist die Leberhilfe in Deutschland Ausrichter des Welt-Hepatitis-Tages.

Der Verein wird von einem ehrenamtlichen Vorstand geleitet und hat in Köln seine Geschäftsstelle, die mit erfahrenen Mitarbeitern besetzt ist. Bei medizinischen Fragen wird die Leberhilfe von einem wissenschaftlichen Beirat unterstützt. Dieser besteht aus namhaften Fachärzten und Wissenschaftlern, die die Richtigkeit, Aktualität und Seriosität der medizinischen Informationen gewährleisten.

Deutsche Leberhilfe e.V.

  

Kontakt:
Deutsche Leberhilfe e.V.
Krieler Str. 100, 50935 Köln
Tel.: 0221/2829980
info@leberhilfe.org
www.leberhilfe.org

PRESSEMITTEILUNG ALS PDF