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20.07.22

Hepatitis D: Das schlimmste Hepatitis-Virus wird behandelbar. Aber wird es auch heilbar?

Köln, 20.07.2022. Hepatitis D ist vielen Menschen kein Begriff. Und doch handelt es sich um das gefährlichste Hepatitis-Virus, welches man bis heute kennt. Fünf Hepatitisviren A, B, C, D und E wurden seit den 1960er-Jahren identifiziert.

Hepatitis mit „D wie Doppelpack“: Das Virus tritt nie alleine auf, sondern nur zusammen mit dem Hepatitis-B-Virus, weil es dessen Hülle (HBs-Antigen) zur Vermehrung braucht.

Ein Mensch kann sich gleichzeitig mit Hepatitis B und D infizieren. Hier gibt es noch durchaus gute Chancen, dass beide Infektionen in den ersten sechs Monaten von selbst ausheilen. Wird die Hepatitis B jedoch chronisch, kann auch eine gleichzeitige Hepatitis-D-Infektion chronisch werden.

Besonders gefürchtet ist eine sogenannte „Superinfektion“. Hier hat ein Mensch bereits chronische Hepatitis B und kommt später in Kontakt mit jemanden, der auch eine Hepatitis D hat. Hier ist es sehr wahrscheinlich, dass auch die Hepatitis D chronisch verläuft. Dies erhöht die Risiken von schweren Leberschäden deutlich. Es kann innerhalb weniger Jahre zu einer Zirrhose und Leberzellkrebs kommen. Jeder zwanzigste Hepatitis-B-Patient hat nach WHO-Schätzungen auch eine Hepatitis D. Schaut man sich nur die schwer kranken Hepatitis-B-Patienten mit Zirrhose oder Leberkrebs an, ist hier jedoch jeder Fünfte gleichzeitig mit dem D-Virus koinfiziert.

Weltweit leben nach WHO-Schätzungen 296 Millionen Menschen mit einer chronischen Hepatitis B. 5% dieser Betroffenen weltweit sind gleichzeitig mit Hepatitis D infiziert, was etwa 15 Millionen Menschen entspricht. Hepatitis D ist in Deutschland wiederum weniger verbreitet als andere Hepatitisviren. Schätzungen für die Zahl der chronisch Hepatitis-D-Betroffenen in Deutschland schwanken: Je nach Schätzung könnten demnach tausende bis zehntausende Menschen in Deutschland von Hepatitis D betroffen sein.

 

Wie wird Hepatitis D übertragen?

Die Übertragungswege ähneln der Hepatitis B: Wenn infektiöses Blut oder andere Körperflüssigkeiten die Hautbarriere durchbrechen, kann es zur Ansteckung kommen. Eine sexuelle Übertragung ist ebenso möglich wie z.B. durch Tätowierungen oder gemeinsam benutztes Spritzbesteck bei Drogenkonsum. Blutprodukte werden in Deutschland gescreent und sind sicher.

 

Wie kann man sich schützen?

Wer noch keine Hepatitis B hat, sollte sich dagegen impfen lassen. Eine Schutzimpfung kann eine Hepatitis-B-Infektion zuverlässig verhindern und schützt dadurch gleichzeitig vor Hepatitis D. Ansonsten sollte man aufpassen, dass kein Fremdblut die Hautbarriere durchdringt.

 

Chronische Hepatitis D behandeln?

Lange Zeit gab es keine zugelassene Therapie gegen Hepatitis D. Dies hat sich mittlerweile zum Glück geändert. Seit dem Sommer 2020 gibt es eine bedingte Zulassung für ein neues Medikament, welches täglich als Injektion ins Fettgewebe genommen wird – ähnlich wie Insulin beim Diabetes. Die Substanz Bulevirtide ist ein Eintrittshemmer, welche das Eindringen von Hepatitis-D-Viren in die Leberzelle verhindert. Die Substanz greift das Hepatitis-D-Virus nicht direkt an, sondern schlägt ihm praktisch die Tür vor der Nase zu. Aufgrund dieses Mechanismus ist es sehr unwahrscheinlich, dass das D-Virus durch Mutationen gegen das Medikament resistent werden könnte. Bislang sind nur wenige Nebenwirkungen auffällig geworden: Hautreaktionen an der Einstichstelle sind ebenso möglich wie bei anderen Arzneimitteln, die als Spritze gegeben werden. Zudem steigt der Spiegel der Gallensalze im Blut an. Erfreulicherweise scheint dies zu keinen zusätzlichen Beschwerden wie z.B. Juckreiz zu führen.

Bulevirtide senkt langsam – sehr langsam –, aber auch sehr beständig die Hepatitis-D-Virusmenge ab. Derzeit ist noch nicht bekannt, wie lange man Menschen mit Bulevirtide behandeln muss. Mit einer Therapiezeit von mindestens zwei Jahren wird gerechnet. Da die Substanz sehr teuer ist, wird sie derzeit nur in großen klinischen Zentren eingesetzt.

Unklar ist bislang, wie durchschlagend der Therapieerfolg durch Bulevirtide sein wird. Wird das Hepatitis-D-Virus nur zeitweise kontrolliert oder könnte es sogar ganz ausgeheilt werden, wenn es nur lange genug unterdrückt wird? „Die kurze Antwort: Wir wissen es noch nicht“, erklärte Prof. Dr. Heiner Wedemeyer, Hannover hierzu auf einer Pressekonferenz des europäischen Hepatologenverbandes am 23. Juni 2022. „Es gibt aber bereits Hinweise, dass bei einzelnen Patienten eine Therapiebeendigung möglich sein könnte. Aktuell untersuchen wir das in einem großen Projekt, welches von der Europäischen Union gefördert wird.“ Die Frage nach einer möglichen Heilung wird ebenfalls in Studien untersucht. Bereits bekannt ist, dass die Viruslast zuverlässig abgesenkt werden kann und allein dies das Risiko von Leberschäden reduziert. „Die Substanz ist ein Game-Changer für unsere Patienten“, so Wedemeyer.

Damit ist die Einführung des Medikamentes ein wichtiger Wendepunkt: Bis vor kurzem gab es keine zugelassene Therapie für Hepatitis D. Bisherige Therapieversuche mit Hepatitis-B-Medikamenten gegen Hepatitis D waren nur begrenzt bzw. gar nicht erfolgreich. Antivirale Tabletten gegen Hepatitis B sind kontrollierend und nicht heilend – gegen das D-Virus sind sie völlig unwirksam. Teilerfolge gab es mit Peg-Interferon-Spritzen, welche ebenfalls ins Fettgewebe gesetzt werden. Allerdings hat Interferon viele Nebenwirkungen, wie z.B. Depressionen und Blutbildveränderungen. Zudem ist es bei Hepatitis D oft nur eingeschränkt und vorübergehend wirksam. Gerade einmal jeder vierte Patient wurde durch Interferon-Therapien zeitweilig virus-negativ und selbst hier sah man viele Rückfälle. „Peg-Interferon ist jedoch weiter eine Therapieoption bei Hepatitis D und über die Hepatitis-B-Zulassung auch verfügbar“, so Wedemeyer.

Weitere Substanzen gegen Hepatitis D befinden sich in Erforschung. In Zukunft könnte es für das gefürchtete D-Virus noch an einer anderen Front ungemütlich werden. Zahlreiche Herstellerfirmen forschen an neuen Therapieansätzen, um auch chronische Hepatitis-B-Infektionen eines Tages heilbar zu machen. Und wenn die Hepatitis B besiegbar wird, wird dies sehr wahrscheinlich auch dem Hepatitis-D-Virus die Lebensgrundlage entziehen.

Deutsche Leberhilfe e.V.

 

 

WeltHepatitisTag am 28. Juli 2022

Der Welt‐Hepatitis‐Tag ist ein internationaler Aktionstag und findet jährlich am 28. Juli statt. Seit 2011 ist der Welt‐Hepatitis‐Tag auch offizieller Gesundheitstag der Weltgesundheits­organisation (WHO). Das Motto des Welt-Hepatitis-Tages lautet wie im Vorjahr „Hepatitis kann nicht warten!“ Das Motto ist ein eindringlicher politischer Aufruf, den globalen Kampf gegen Virushepatitis voranzutreiben. Eine Impfung kann Hepatitis A und B sicher verhindern. Die Hepatitis-B-Impfung schützt indirekt auch gegen das gefährliche Hepatitis-D-Virus, welches nur zusammen mit Hepatitis B auftritt. Gegen chronische Hepatitis B und C stehen wirksame Therapien zur Verfügung, die eine Hepatitis B unterdrücken und eine Hepatitis C sogar ganz ausheilen können. Gegen Hepatitis D steht seit 2020 ebenfalls eine Therapie zur Verfügung.

Weltweit leben nach WHO-Schätzungen 296 Millionen Menschen mit einer chronischen Hepatitis B. Die Schätzungen sind höher als früher (257 Millionen), spiegeln aber wohl keinen echten Anstieg wider. Wie uns die WHO mündlich mitteilte, haben mehr Länder ihre Überwachung verbessert und deswegen in den letzten Jahren höhere Zahlen nachgemeldet. In Deutschland schätzt die Hepatitis-B-Leitlinie von 2021, dass ca. 0,4 bis 0,8% der Bevölkerung eine chronische Hepatitis-B-Infektion haben. Dies würde etwa 330.000 bis 660.000 Menschen entsprechen.

Bei Hepatitis C sieht man mittlerweile Erfolge der heilenden Therapie: In 2019 wurde die Zahl der Hepatitis-C-Betroffenen auf noch 58 Millionen (vorher 71 Millionen) weltweit geschätzt. In Deutschland wurde Anfang des Jahres 2020 die Zahl der Hepatitis-C-Infizierten auf 189.000 geschätzt; dank heilender Therapien ist die Zahl der Betroffenen damit seit 2012 deutlich um 85.000 Fälle gesunken.

Vor sechs Jahren beschloss die WHO, bis 2030 weltweit Hepatitis B und C einzudämmen. Die Bundesregierung hat sich diesem Vorhaben angeschlossen und 2016 die Strategie „BIS-2030 – Bedarfsorientiert, Integriert, Sektorenübergreifend“ beschlossen; diese soll ebenfalls bis 2030 Hepatitis B und C, aber auch HIV und andere Infektionskrankheiten erfolgreich bekämpfen. Die Corona-Pandemie hat diese Bemühungen weltweit und auch in Deutschland zurückgeworfen. Gleichzeitig gab im Herbst 2020 trotz der Pandemie einen Fortschritt: Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschloss, dass künftig alle Bundesbürger über 35 einmalig einen Test auf Hepatitis B und C machen können – als Teil der allgemeinen Gesundheits­untersuchung.

 

Wer ist die Deutsche Leberhilfe e.V.?

Die Deutsche Leberhilfe e.V. wurde 1987 von engagierten Patienten gegründet. Der gemeinnützige Verein ist bundesweit tätig und hat sich als Informationsschnittstelle zwischen Ärzten und Leberpatienten etabliert. Die Leberhilfe verfolgt als Hauptziel, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, indem sie Patienten und ihre Angehörigen berät und Informationsschriften in verständlicher Sprache herausgibt. Ein weiteres Ziel des Vereins ist, die Bevölkerung über mögliche Ursachen, Verlauf, Therapie und Verhütung von Leberkrankheiten zu informieren. Langfristig soll dies dazu beitragen, Vorurteile zu entkräften und den schlechten Ruf der Lebererkrankungen als „selbstverschuldete” Krankheiten zu verbessern. In diesem Rahmen ist die Leberhilfe in Deutschland Ausrichter des Welt-Hepatitis-Tages.

Der Verein wird von einem ehrenamtlichen Vorstand geleitet und hat in Köln seine Geschäftsstelle, die mit erfahrenen Mitarbeitern besetzt ist. Bei medizinischen Fragen wird die Leberhilfe von einem wissenschaftlichen Beirat unterstützt. Dieser besteht aus namhaften Fachärzten und Wissenschaftlern, die die Richtigkeit, Aktualität und Seriosität der medizinischen Informationen gewährleisten.

Deutsche Leberhilfe e.V.

  

Informationen zum Welt-Hepatitis-Tag:

Deutsche Webseite:               www.welthepatitistag.info
Flyer zu Hepatitis A bis E:     www.welthepatitistag.info/download.html
Internationale Webseite:        www.worldhepatitisday.org/

 

Quellen:

WHO Factsheet Hepatitis D: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/hepatitis-d. 24. Juni 2022, zuletzt abgerufen am 18.07.2022.
Dudareva, S et al. Epidemiologie der Virushepatitiden A bis E in Deutschland. Bundesgesundheitsbl 65, 149–158 (2022). https://doi.org/10.1007/s00103-021-03478-8. Zuletzt abgerufen am 18.07.2022.
Heiner Wedemeyer et al.: Efficacy and safety of bulevirtide monotherapy given at 2 mg or 10 mg dose level once daily for treatment of chronic hepatitis delta: week 48 primary endpoint results from a phase 3 randomized, multicenter, parallel design study. EASL ILC 2022, Abstract GS006.

Medizinische Hochschule Hannover: The path to personalised hepatitis D treatment. 22.06.2022. https://www.mhh.de/en/presse/mhh-insight/startseite-news-detailed-view/the-path-to-personalised-hepatitis-d-treatment. zuletzt abgerufen am 18.07.2022.

 

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