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23.07.24

Hepatitis E: Rückschlag bei der Impfstoffsuche

Welt-Hepatitis-Tag am 28. Juli 2024

Köln, 23. Juli 2024. Hepatitis E ist weniger bekannt als die Hepatitisviren A bis C, aber, wie wir heute wissen, viel weiter verbreitet. Eine Schutzimpfung wäre wünschenswert, doch die Forschung hat hier einen Rückschlag erlitten. In China gibt es seit über zehn Jahren einen Impfstoff, der aber gegen eine andere, in Asien verbreitete Variante des Hepatitis-E-Virus gerichtet ist. Tierexperimente zeigten kürzlich, dass der chinesische Impfstoff nicht gegen die in Europa häufigste Hepatitis-E-Variante schützt. Leider scheiterte in der gleichen Studie auch ein weiterer Impfstoff, von dem man sich eine gezieltere Schutzwirkung erhofft hatte.

Hintergrund

Nach Schätzungen des Robert Koch Instituts war jeder sechste Bundesbürger schon einmal von einer Hepatitis-E-Infektion betroffen. Diese Erkenntnis hat viele überrascht, galt das Virus doch früher als vermeintlicher Exot und nur als „Reiseinfektion“ aus fernen Ländern wie z.B. Indien. Entsprechend wurde bei Personen mit erhöhten Leberwerten früher kaum auf Hepatitis-E-Infektionen getestet. Heute wissen wir, dass das Virus seit Jahrzehnten, vielleicht Jahrhunderten bei uns heimisch ist.

In Deutschland wird das Virus besonders häufig durch ungegartes Fleisch von Schweinen und Wildtieren übertragen (z.B. Schweinemett). Auch Salate und Feldfrüchte, die mit Ausscheidungen von Schweinen gedüngt wurden, können aber mitunter zu Übertragungen führen.

Hepatitis E ist nicht immer gleich Hepatitis E. Es sind verschiedene Unterformen bekannt, sogenannte Genotypen. Diese unterscheiden sich zum Teil erheblich voneinander. In Asien und Afrika ist insbesondere der Genotyp 1 weit verbreitet, der dort hauptsächlich durch verunreinigtes Wasser übertragen wird. Dieser Untertyp wird nicht chronisch, kann aber insbesondere für Schwangere lebensgefährlich werden und zum Leberversagen führen.

In Deutschland überwiegt der Genotyp 3. Dieser Hepatitis-E-Virustyp verhält sich in vieler Hinsicht ganz anders. Für Schwangere scheint dieser Genotyp weniger gefährlich zu sein.

In den meisten Fällen heilt eine Hepatitis-E-Infektion von selbst aus. Manche Personen bemerken die Infektion nicht einmal, andere spüren Hepatitis-typische Symptome wie z.B. Gelbsucht, Druck im rechten Oberbauch, Abgeschlagenheit, Übelkeit oder Fieber.

Hepatitis E verläuft auch hierzulande nicht immer harmlos. Für Leberkranke kann die Hepatitis-E-Infektion gefährlich werden, weil sich eine bereits geschädigte Leber hier zusätzlich entzündet. Dies kann zu Leberversagen führen. Bei immungeschwächten Menschen, wie z.B. Organtrans­plantierten, können Infektionen mit dem Hepatitis-E-Genotyp 3 zudem chronisch verlaufen. Chronische Hepatitis E kann unbehandelt innerhalb weniger Jahre zu einer Leberzirrhose führen. In einem Teil der Fälle kann Hepatitis E auch zu neurologischen Beschwerden und Schäden führen. Diese können sich unterschiedlich äußern, z.B. als Kribbeln oder Taubheit in den Armen. Es sind jedoch auch starke chronische Schmerzen und sogar Lähmungen möglich, wie z.B. ein Guillain-Barré-Syndrom. Neurologische Komplikationen bilden sich oft nur langsam zurück und können in einigen Fällen dauerhaft bestehen bleiben.

Immerhin ist die Hepatitis E in solch schweren Fällen behandelbar. Es sind zwar keine Medikamente speziell gegen dieses Virus zugelassen, aber ein altes Medikament namens Ribavirin kann hier als sogenannte Off-Label-Therapie eingesetzt werden und die Mehrzahl der Infektionen ausheilen. Wenn Ribavirin nicht anspricht, gibt es allerdings noch keine guten Alternativen.

Impfstoff-Suche bei Hepatitis E

Seit Jahrzehnten existieren wirksame Impfstoffe gegen Hepatitis A und B. Im Gegensatz dazu gibt es gegen Hepatitis E in Deutschland und Europa bisher keine Schutzimpfung. Angesichts der großen Verbreitung der Hepatitis E und ihrer seltenen, aber schweren Komplikationen wäre ein solcher Schutzimpfstoff für die Zukunft wünschenswert.

In China ist seit längerer Zeit mit Hecolin ein Hepatitis-E-Impfstoff verfügbar. Dieser basiert allerdings auf einer anderen Virusvariante, dem Genotyp 1, welcher in Asien und Afrika weit verbreitet ist. Es wurde daher schon länger bezweifelt, ob der chinesische Impfstoff auch gegen die hierzulande verbreiteten Hepatitis-E-Viren (Genotyp 3) schützen könnte.

Leider wurde diese Skepsis nun in einer Tierstudie mit Schweinen bestätigt: Hecolin schützte wie erwartet nicht vor Infektionen mit „unserer“ Hepatitis-E-Variante. Überraschenderweise scheiterte in dieser Studie jedoch noch ein weiterer experimenteller Impfstoff mit dem Namen p239(gt3). Dieser basierte auf dem Genotyp 3 des Hepatitis-E-Virus und hätte eigentlich besser gegen diesen Virustyp schützen sollen. Dem war aber nicht so und dieser zweite Rückschlag ist weniger erwartet. Die Versuchstiere bildeten durch die Impfstoffe Antikörper gegen Hepatitis E. Einen Monat später wurde den Schweinen eine virushaltige Injektion mit dem Hepatitis-E-Genotyp 3 verabreicht. Jeweils drei von vier Tieren entwickelten trotz Impfung eine Infektion.

Es bleibt also eine Herausforderung, einen wirksamen Impfstoff gegen Hepatitis E in Europa zu entwickeln. Wünschenswert wäre ein Impfstoff, der eine breite Schutzwirkung gegen alle Hepatitis-E-Varianten hat. Derzeit ist ein solcher Impfstoff nicht in Sicht. Die Forschung auf diesem Gebiet sollte daher intensiviert werden.

Schützen gegen Hepatitis E?

Wer Sorge hat, sich mit Hepatitis E anzustecken, sollte den Konsum von rohem Fleisch und rohen Meeresfrüchten meiden. Solche Vorsichtsmaßnahmen gelten insbesondere für Menschen, die von einem schweren oder chronischen Verlauf gefährdet sind, wie z.B. Organtransplantierte oder Leberkranke. Hitze kann das Virus erfolgreich zerstören. In Laborexperimenten wurde das Virus inaktiv, wenn es über zwei Minuten auf 70 °C oder über eine Minute auf 80 °C erhitzt wurde. Ob dies im Alltag bei der Essenszubereitung ausreicht, um eine Ansteckung auszuschließen, ist noch nicht eindeutig geklärt.

Eine Ansteckung von Mensch zu Mensch ist nach heutigem Kenntnisstand sehr unwahrscheinlich. Sicherheitshalber sollten Infizierte kein Essen für andere zubereiten, solange sie noch ansteckend sind. Dies gilt vor allem bei rohen Speisen. Ob jemand ansteckend ist, zeigt ein Test auf die HEV-RNA des Virus, welche im Stuhl oder Blut nachweisbar ist. Bei positivem Test sollten auch Toiletten möglichst getrennt benutzt bzw. anschließend desinfiziert werden.

Die meisten Hepatitis-E-Verläufe sind unkompliziert und werden nicht einmal bemerkt. Fast immer reicht es, den natürlichen Heilungsverlauf abzuwarten. Medikamente sind nur bei seltenen, schweren oder chronischen Verläufen notwendig. In solchen Fällen sollte fachärztlicher Rat in einer Leberambulanz oder einer Fachpraxis für Hepatologie eingeholt werden.

Hintergrund: Welt-Hepatitis-Tag

Am 28. Juli 2024 ist Welt-Hepatitis-Tag unter dem Motto: „Hepatitis: Zeit zum Handeln!“ Im Hauptfokus des Aktionstages stehen die chronische Hepatitis B und C. Laut WHO-Schätzungen im April 2024 leben 254 Millionen Menschen mit chronischer Hepatitis B und 50 Millionen mit Hepatitis C. Etwa 5% der Hepatitis-B-Betroffenen sind gleichzeitig mit Hepatitis D infiziert. Hepatitisinfektionen verlaufen oft lange stumm und können unbehandelt zu tödlichen Spätfolgen wie Zirrhose und Leberzellkrebs führen. Es gibt Schutzimpfungen gegen Hepatitis A und B, letztere verhindert auch eine Hepatitis-D-Infektion. Für chronische Infektionen gibt es heute gute Behandlungsmöglichkeiten: Hepatitis B und D sind kontrollierbar, Hepatitis C ist heute sogar fast immer heilbar. Umso wichtiger ist es, die unbekannt Infizierten rechtzeitig zu finden und zu behandeln. Die WHO hat das Ziel ausgerufen, Hepatitisinfektionen bis zum Jahr 2030 so weit einzudämmen, dass diese „als öffentliche Gesundheitsbedrohung eliminiert“ sind. Viele Länder weltweit unterstützen dies mit eigenen Eliminationskampagnen. In Deutschland können sich Krankenversicherte ab 35 Jahre kostenfrei auf Hepatitis B und C in der hausärztlichen Praxis untersuchen lassen. Die Deutsche Leberhilfe e.V. führt zusammen mit weiteren Kooperationspartnern die lokale Kampagne „Hepatitisfreies Köln“ durch (www.hepatitisfreies-koeln.de), welche als Pilotprojekt künftig ggf. auf weitere Städte ausgeweitet werden kann: Diese Kampagne soll sowohl die Prävention als auch rechtzeitige Diagnostik und fachärztliche Behandlung von Hepatitisinfektionen in Köln verbessern. Informationen zum Welt-Hepatitis-Tag finden Sie auf www.welthepatitistag.info und in englischer Sprache auf www.worldhepatitisday.org.

Wer ist die Deutsche Leberhilfe e.V.?

Die Deutsche Leberhilfe e.V. wurde 1987 von engagierten Patienten gegründet. Der gemeinnützige Verein ist bundesweit tätig und hat sich als Informationsschnittstelle zwischen Ärzten und Leberpatienten etabliert. Die Leberhilfe verfolgt als Hauptziel, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, indem sie Patienten und ihre Angehörigen berät und Informationsschriften in verständlicher Sprache herausgibt. Ein weiteres Ziel des Vereins ist, die Bevölkerung über die Ursachen, Prävention und Therapie von Leberkrankheiten zu informieren. Langfristig soll dies dazu beitragen, Vorurteile zu entkräften und den schlechten Ruf der Lebererkrankungen als „selbstverschuldete” Krankheiten zu verbessern. In diesem Rahmen ist die Leberhilfe in Deutschland Ausrichter des Welt-Hepatitis-Tages. Der Verein wird von einem ehrenamtlich tätigen Vorstand geleitet und hat in Köln seine Geschäftsstelle, die mit erfahrenen Mitarbeitern besetzt ist. Bei medizinischen Fragen wird die Leberhilfe von einem wissenschaftlichen Beirat unterstützt. Dieser besteht aus namhaften Fachärzten und Wissenschaftlern, die die Richtigkeit, Aktualität und Seriosität der medizinischen Informationen gewährleisten.

Informationen zum Welt-Hepatitis-Tag:

Deutsche Webseite:                      www.welthepatitistag.info
Internationale Webseite:             www.worldhepatitisday.org/

Kontakt:

Deutsche Leberhilfe e.V.
Krieler Str. 100 – 50935 Köln
www.leberhilfe.org
Patientenberatung: info@leberhilfe.org, Tel.: 0221/2829980
Redaktion (V.i.S.d.P. Ingo van Thiel): lebenszeichen@leberhilfe.org, Tel. 0221/2829991

 

Impfstoffstudie: Lisa Dähnert, Ulrike Protzer et al.: Immunisation of pigs with recombinant HEV vaccines does not protect from infection with HEV genotype 3. One Health. Volume 18, June 2024, 100674 https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2352771423001945

 

Korrekturhinweis 30.07.2024: Im ursprünglichen Text hieß es, dass die Versuchstiere durch kontaminiertes Futter mit dem Hepatitis-E-Virus konfrontiert wurden. Tatsächlich erfolgte dies aber mit einer Injektion. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.

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